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64. Wechselgespräch: Sex in the City

29. Juli 2023

Sex in the City
von Janina Poesch

 

Jede Stadt hat ihre architektonisch-erogenen Zonen: Bordelle, Nachtclubs, Eroscenter, Laufhäuser, Swingerclubs und Schwulensaunen. Warum also widmen sich immer noch zu wenige Architekt:innen dieser Bauaufgabe und überlassen sie tatenlos anderen Akteur:innen? Um diese Frage zu beantworten, lud der BDA Baden-Württemberg zum 64. BDA Wechselgespräch in die IBA’27-Festivalzentrale in Stuttgart. Unter der Moderation der Architekturjournalistin Angelika Hinterbrandner diskutierten der Architekt Georg Brennecke, die Kulturwissenschaftlerin Renate Ruhne, der Architekturhistoriker und Kurator Bart Lootsma und der Architekt Thomas Karsten darüber, wie sich das Verhältnis von Sexualität, Stadt und Architektur aktuell darstellt bzw. wie es zukünftig aussehen kann und wie die marginalisierten Räume als ernstzunehmende Planungsaufgabe verstanden werden können.

Georg Brennecke setzte sich erstmals 2010 architektonisch mit den Themen Rotlicht und Prostitution auseinander, sammelte Typologien, kartografierte sie und verfasste aus den Ergebnissen mit Kommilitonen eine Studie, die offenbarte, dass Bebauungspläne diesbezüglich durchaus noch weiße Flecken aufweisen. Renate Ruhne merkte dagegen an, dass sich das Sexgewerbe deutlich wahrnehmbarer im Stadtbild materialisiere: Blinkende Neonreklamen und aufmerksamkeitsheischende Schilder an zum Teil stark heruntergekommenen Gebäuden bilden das Gesicht nach außen und prägen den Straßenraum – wie die Innenräume gestaltet sind, stehe jedoch auf einem anderen Blatt. Zumindest was Schwulensaunen betrifft, brachte Bart Lootsma hier im wahrsten Wortsinn Licht ins Dunkel und berichtete über die Masterarbeit von Jan Kapsenberg, der in deren Innenarchitektur nicht nur Ähnlichkeiten im Umgang mit Lux und Lumen erkannte, sondern auch in der choreografischen Abfolge einzelner Räume. Wie wichtig neben einem instinktiven Sicherheitsgefühl, intuitive Orientierung, Licht, Materialien und Haptik für Intimität sind, unterstrich auch Thomas Karsten, der als Architekt unter anderem den Berliner Techno-Club Berghain konzipierte und die Bedürfnisse der Nutzenden stets in den Mittelpunkt seiner Planung stellt.

So zeigte der von Dr. Uwe Bresan initiierte Abend, dass der öffentliche Diskurs mehr als wichtig ist und diese Bauaufgabe aus der Nische bzw. dem Tabu herausgeholt werden sollte, um sie nicht weiter mit stereotypem Wissen aufzuladen, sondern einen freien, objektiven Blick zu generieren. Oder um es mit den Worten von Bart Lootsma zu sagen: „Dies sind Räume, die es absolut wert sind, sorgfältig gestaltet zu werden!“

Janina Poesch

www.wechselraum.de/program/sex-in-the-city